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Forenübersicht » Pfadfinder - Forum » Allgemeines Off-Topic » Fragen zum Neuen Testament

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91 Beiträge in diesem Thema (offen) Seiten (7): < zurück 2 3 (4) 5 6 weiter >
Autor
Beitrag
Gast .Tilia.  
Gast
@ aghamemnun:

Buchempfehlung: Den Eindruck hatte ich nicht, ich fand, daß das ein ziemlich interessantes Buch ist. Allerdings hab ich das auch schon vor ein paar Jahren gelesen, und die Erinnerung ist nicht mehr taufrisch. Zudem hatte ich schon beim Lesen versucht, von den konkreten Beispielen zu abstrahieren und die Strukturen sozusagen "rein" zu erfassen. Der Titel paßte jedenfalls gut hier hinein ;-)


Zitat
Ich muß gestehen, daß ich mich mit Hegel sehr schwer tue



Wer tut das nicht? Das liegt teilweise daran, daß sich natürlich unsere Sprache heute nicht mehr auf derselben Stufe befindet, wie die Sprache zu seiner Zeit, obwohl beides neuhochdeutsch ist, zum Teil auch daran, daß niemand heute - außer er legt es gezielt darauf an und hat die nötige Energie und Zeit dafür - dieselbe Vorbildung hat. Unsere Schule allein ist auf ganz andere Dinge und anderes Wissen, andere Denkvorgänge ausgerichtet als die Schule, die Hegel besuchte.

Trotzdem finde ich nicht alles dunkel und unverständlich, muß man sich nicht mit allem quälen, was er geschrieben hat. Die oben zitierte Passage finde ich verhältnismäßig leicht verständlich.
Zitiert wurde sie als Beispiel für eine nicht-wörtliche, kritische Lesart der Bibel, die im Gegensatz zu ralfs "Auseinemguß-Lesart" steht. Zur Beruhigung der Gemüter helfen manchmal solche reingeschmissenen Zitate ganz gut ;-)


Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zuletzt von .Tilia. am 27.10.2009 - 09:00.
Beitrag vom 27.10.2009 - 08:29
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Nachtwache ist offline Nachtwache  
1003 Beiträge
Nachtwache`s alternatives Ego
Obwohl die Bibel für mich Gottes Wort ist, (wird ja jeden Sonntag so in der Kirche verkündet - und daran glaube ich nunmal, weshalb sonst sollte ich in die Kirche gehen),
ist sie von Mensch aufgeschrieben.
Obwohl die Bibel für mich Gottes Wort ist,
glaube ich, dass sie nicht in einem Guss geschrieben wurde, sondern über Jahrhunderte.
Obwohl die Bibel Gottes Wort ist,
wurden die Kapitel von Menschen ausgewählt. Denen, so glaube ich, der Hl. Geist beistand leistete.
Obwohl die Bibel Gottes Wort ist,
kann nicht alles darin wörtlich verstanden werden.
Obwohl die Bibel Gottes Wort ist,
sind die Texte im historischen Kontext zu sehen. Die Sinnzusammenhänge hingegen sind zeitlos.

Und Obwohl ich mich mit dieser Meinung wahrscheinlich von derralfs Meinung deutlich unterscheide, kann ich seine Posts durchaus nachvollziehen. Manchmal hab ich den Eindruck, einige lesen eine Phrase wie "Die Bibel aus einem Guss" und der Schreiber (in diesem Falle derralf) bekommt gleich den Stempel "absoluter Fundamentalist". Und alles weitere, was er schreibt, wird nur noch halb gelesen oder durch eine entsprechende Brille betrachtet.
Schade eigentlich.



-- Ostwestfalen - wo man mit dem lieben Gott zusammen ein Bier trinken gehn kann. Hier komm'wa wech. --
-- Graue Kluft am Leibe, Zelte so schwarz wie die Nacht, Freundschaft die süchtig macht, Abenteuer so bunt --
Beitrag vom 27.10.2009 - 10:00
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Christian ist offline Christian  
514 Beiträge
Christian`s alternatives Ego
Wie gut,
- dass man die Bibel auch als ein interesantes historisches Dokument lesen kann.
Nicht mehr oder weniger stellt es für einen säkularen Menschen wie mich dar.

Jabonah,
wolf



Glück ist ein verhexter Ort.
Beitrag vom 27.10.2009 - 12:56
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zille ist offline zille  
684 Beiträge
zille`s alternatives Ego
Für alle die es interessiert, versuche ich mich mal an einer Aufschlüsselung des Hegel-Zitates, welches Tilia einstellte.

Anthropomorphismus bezeichnet übrigens das Zusprechen menschlicher Eigenschaften auf Tiere, Götter, Naturgewalten und Ähnliches.
Zitat
Original geschrieben von Hegel
Wenn die griechische Religion zu sehr anthropomorphistisch war, so könnte man von der jüdischen und christlichen sagen, sie sei es zu wenig;

In der griechischen Mystik hatten die einzelnen Götter nicht nur genau umrissene Aufgabenstellungen, bzw. Themengebiete, sondern haben sich wie eine ganz normale (Menschen-)Familie verhalten; Neid, Lust, Streit etc. waren sozusagen das „tägliche Brot“ auf dem Olymp, ob sie den Menschen halfen oder nicht, war meistens alleine von ihrer sponatnen, nicht rational begründeten Stimmung abhängig, oder von den Ränkelspielchen untereinander. Nie wurden die Handlungsweisen der Götter mit höheren Werten (Moral) begründet.

Zitat
aber es ist darin eigentlich ein noch viel stärkerer Anthropomorphismus, z.B. wenn in der Bibel vom Zorne Gottes die Rede ist. Der Zorn ist eine menschliche Empfindung; diese legt man Gott bei.

Ist doch klar, oder? Obwohl Gott eigentlich göttliche Eigenschaften haben sollte, gibt er sich besonders im AT Erregungszuständen hin, die man eher für typisch menschlich halten würde. Hegel fragt an dieser Stelle indirekt nach dem Grund für eine solche Zuschreibung.

Zitat
Dieser Anthropomorphismus ist auf der anderen Seite wieder ein Vorzug in der Religion, indem dadurch das Geistige der natürlichen Vorstellung näher gebracht wird.

Die „natürliche Vorstellung“ bei Hegel ist etwas kompliziert, aber entscheidend ist dabei auch nur, daß es dem Menschen leichter fällt durch die „menschlichen“ Eigenschaften Gottes das Geistige zu begreifen.

Zitat
Aber schwer ist es, die Grenze zu ziehen zwischen dem, was nur der sinnlichen Vorstellung angehört, und dem, was dem Göttlichen entspricht. Denn es handelt sich bei solchen Anthropomorphismen nicht bloß um solche Vorstellungen, die sich sogleich als sinnlichen Verhältnissen angehörig zu erkennen geben, sondern auch um Gedanken; und aus diesen die endlichen herauszufinden, die, die nur dem menschlichen Geist angehören, abzuschneiden, das ist das Schwierige.
Zitiert aus: Einleitung in die Geschichte der Philosophie

Um diesen Abschnitt überhaupt richtig einordnen zu können, muß man wissen, daß es für Hegels Lehre vom Sein entscheidend ist, abgrenzbare Kategorien zu bilden:

Zitat
Jede Bestimmung ist eine Grenzziehung, wobei zu jeder Grenze auch etwas gehört, was jenseits von ihr vorhanden ist (vgl. Wissenschaft der Logik 145). Eine Grenze als solche zu denken heißt auch, das Grenzenlose zu denken. Ebenso ist mit dem Gedanken des „ Endlichen“ der des „Unendlichen“ gegeben (139ff.). Das Unendliche ist das „Andere“ des Endlichen, wie auch umgekehrt das Endliche das „Andere“ des Unendlichen ist.

Nur so wird deutlich, warum es für ihn unerläßlich ist , eine Grenze zwischen der sinnlichen, also menschlichen Vorstellung und der göttlichen zu ziehen. Das er dabei an seine Grenzen stößt, ist, zumindest aus atheistischer Sicht, nicht wirklich überraschend.




"Es ist lustvoll, so für sich hin im Stil der Jugendbewegung - ich würde fast sagen - zu latschen.
Und es ist widerwärtig, im Gleichschritt zu marschieren" -- Walter Jens
Beitrag vom 27.10.2009 - 13:14
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aghamemnun ist offline aghamemnun  
299 Beiträge
aghamemnun`s alternatives Ego
Ach, Altair, es ist ja nicht so, daß irgendwer hier das Hegel-Zitat nicht verstanden hätte. Was ich nicht kapierte war, was es in unserem Zusammenhang besagen soll. Und außerdem finde ich Hegel immer so entsetzlich ermüdend... Gähn...



"Geben ist seliger denn Nehmen."
(Max Schmeling)
Beitrag vom 27.10.2009 - 13:35
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Gast .Tilia.  
Gast
So schnell erschöpft? Da helfen nur regelmäßige, gezielte Dosen geistiger Überforderung als Training. ;-))


Aber zurück zum eigentlichen Thema... vielleicht findet sich ja doch noch jemand, der darauf eingehen möchte, was für eine Bedeutung die Offenbarung des Johannes für ihn/sie als Christ hat und was daraus gezogen wird. Interessant fände ich das noch immer.
Ansonsten würde ich in den nächsten Tagen die nächste Frage unterbringen.


Beitrag vom 28.10.2009 - 10:15
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Gast .Tilia.  
Gast
So... nächste Frage... Wie steht Ihr zu Paulus, und welche Bedeutung hat er für Euer (religiöses) Leben, d.h., wie maßgeblich ist er für Euch ?

Meine persönliche Meinung auch gleich dazu...
Ich hatte echte Probleme mit Paulus bei meiner Bibellektüre, habe seine Briefe als eifernd und anmaßend empfunden (und aus seinen Briefen läßt sich herauslesen, daß auch die Empfängergemeinden nicht unbedingt glücklich damit waren). Ich verstehe auch nicht ganz, wie seine Auslegungen der Intention Jesu solche Autorität erlangen konnten, hat er doch Jesus selbst gar nicht erlebt, und auch in seiner Vision keine konkreten Auslegungen empfangen.
Andererseits ist das, was er zu erdulden bereit war, schon ganz erstaunlich und mildert das negative Bild, das ich aus seinen Briefen entwickelt habe, wieder etwas ab.
Beitrag vom 04.11.2009 - 20:56
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derralf ist offline derralf  
795 Beiträge
derralf`s alternatives Ego
Paulus ist sicher ein bedeutender Schreiber im NT - die meisten der Lehrbriefe sind von ihm verfasst, der Hebräerbrief wird mit ihm in Verbindung gebracht. Ich kann jetzt grade nicht so wirklich nachvollziehen an welchen Stellen Du ihn für überheblich hältst - aber subjektive Eindrücke müssen ja auch nicht immer für jeden nachvollziehbar sein.
Seine Berufung war sicherlich ein außergewöhnliches Ereignis - seine Autorität rührt aber nicht nur daher sondern hängt sicherlich auch damit zusammen das er ein Theologe des alten Bundes war der durch diese Berufung offen wurde die Zusammenhänge zu sehen - und nicht zuletzt auch daher das er nicht nur viel Zeit mit den "Zeugen" der Worte und Taten Jesu verbrachte sondern auch in den ersten Jahrzehnten des Christentums sehr segensreich missionarisch tätig war.
Die anderen Apostel zweifelten diese Autorität auch nicht wirklich an, wie die Ereignisse rund um das Apostelkonzil in Jerusalem zeigen.

Alles in allem sind die Paulusbriefe sicherlich ein wichtiger Teil des NT, ohne die wichtige Fragen unbeantwortet blieben oder zumindest schwerer verständlich wären.



Das Beste am Norden
Beitrag vom 04.11.2009 - 21:20
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Malte ist offline Malte  
Moderator
1559 Beiträge
Malte`s alternatives Ego
Also mir hat mal ein Priester meines Vertrauens gesagt, dass die anstößigsten Sätze von Paulus zum größten Teil an Stellen stehen, wo sie vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen wirken.

Und ich kann mir auch vorstellen, dass der römische Staat zwar irgendwann eingesehen hat, dass er gegen das Christentum nix mehr machen kann, dass man es aber - wie alle fremden Religionen im römischen Reich - richtig kanalisieren musste. Also ein gerüttelt Maß Patriarchat und andere Anmaßung an der einen oder anderen Stelle rein und schon kann man auch mit dem Christentum gut leben.

Mich hat das ziemlich überzeugt, dass da eine politische korrektur stattfand und das Paulus eigentlich ein ganz cooler Typ war.



www.myspace.com/bruncken

Beitrag vom 04.11.2009 - 22:07
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Gast .Tilia.  
Gast
@ Malte:

Interessante Interpretation. Mal gucken, ob und was aghamemnun dazu sagt, der scheint ja ein Fachmann zu sein...
Beitrag vom 04.11.2009 - 22:54
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aghamemnun ist offline aghamemnun  
299 Beiträge
aghamemnun`s alternatives Ego
Paulus ist mir wichtig als Theologe, der einen spezifischen Freiheitsbegriff zwar nicht selbst entwickelt, aber im Christentum nachhaltig salonfähig gemacht hat. Das ist vor allem die Freiheit, sich selber nicht so wichtig zu nehmen, das Leben nicht zu fürchten und dadurch offen zu werden für andere.

Wie Paulus selbst berichtet, entstammt er der pharisäischen Bewegung. Die war längst nicht der monolithische Block, als den die neutestamentlichen Autoren sie darstellen. Auch Jesus selbst scheint ja in diese Szene hineingehört zu haben. Daß er sich, wie die Evangelien berichtet, dauernd mit den Pharisäern auseinandersetzt, liegt wohl weniger daran, daß er ein Typ ist, der gern Streit sucht, sondern daran, daß das eben sein spezifisches Umfeld ist.

Wie es damals typisch für die Pharisäer war, ist auch für Paulus die Frage nach dem Sinn der Torah zentral gewesen. Die im NT vorgestellten Pharisäer, an denen Jesus sich abarbeitet, sind Leute, die die Torah als minutiöses Regelwerk verstehen, das ihnen noch nicht einmal genügt, denn sie haben zusätzlich auch noch in Form von 613 Ge- und Verboten einen Zaun um dieses Gesetz herum errichtet. Tatsache ist aber, daß es den Pharisäern i.d.R. nicht um sklavischen Gesetzesgehorsam ging, sondern daß die Torah mit all ihren Regeln und Vorschriften als eine Art Wegweiser zu einem besseren und sinnvolleren Leben verstanden wurde. Über allen Gesetzen steht ja der Beginn der Zehn Gebote: "Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus der Sklaverei in Ägypten geführt hat." Alles, was dann an Gesetzen folgt, ist sozusagen Geographie des Gelobten Landes, Entfaltung der neuen Freiheit, die Gott seinem Volk gibt.

Deshalb gab es auch so etwas wie eine ehrliche Freude am Gesetz und am Tun des Guten (vgl. Psalm 19,8ff.) - natürlich auch bei den Pharisäern. Auf der anderen Seite war diese Gabe Gottes, als welche die Torah galt, stetig bedroht durch das, was die Menschen möglicherweise daraus machten. Daher auch die innerpharisäischen Auseinandersetzungen und die Heftigkeit, mit der sie mitunter geführt wurden, und zwar auf allen Seiten.

In diesen Zusammenhang gehören auch die Auseinandersetzungen um Judenchristen und Heidenchristen. In judenchristlichen Kreisen war man der Ansicht, daß Jesus eigentlich nur zu den Israeliten gesandt war und es ihm deshalb auch höchstens um eine Erneuerung des Judentums ging. Paulus dagegen war jemand, der Jesus als den Messias für alle Menschen verstand und diese Position auch praktisch umgesetzt und gegenüber den judenchristlichen Vertretern um Petrus durchgehalten hat. Dabei war Paulus gewiß kein größerer Eiferer als andere es auch gewesen sind. Zum Sektierer fehlt ihm vor allem der Ekel vor seinem früheren Leben, wenn man mal von einer einzigen Stelle (Philipper 3,8) absieht, wo er sagt, was ihm früher so viel bedeutet habe, sei ein Dreck. Aber auch das muß man im Zusammenhang lesen. Schließlich geht es um den Rückfall in einen sklavischen Gesetzesgehorsam, vor dem er warnt.

Aus der Heidenmission ergab sich auch das Problem der Geltung der hebräischen Bibel. Paulus vertrat ja die Ansicht, daß die Torah, als Regelwerk verstanden, kein Heilsweg sein kann. Einem solchen Automatismus fehlt einfach die persönliche Beziehung zu Gott, die Christus verkörpert hatte wie kein anderer. Auch Jesus hatte die Enge dieses Regelwerks aufgesprengt, indem er es verfremdete, noch eins draufsetzte und so dem Denken eine ganz andere Richtung gab (Matthäus 5,17-48). Gegen den blinden und reflexionslosen Gehorsam setzt Paulus den Glauben, das hingebungsvolle Vertrauen auf Gott, als allein seligmachende Kraft.

In Gemeinden mit starkem jüdischen Einschlag konnte man auf solchen Denktraditionen sicherlich gut aufbauen, und das hat Paulus auch getan, so weit es ihm möglich war. Auf seinen Missionsreisen war für ihn in einer neuen Stadt meistens die Synagoge die erste Anlaufstelle. Mit der Zeit hatte er es aber zunehmend mit neu gegründeten Gemeinden mit heidnischem Hintergrund zu tun, denen diese Traditionen weniger oder gar nichts sagten. Da war es dann schon weitaus schwieriger, Glaubensinhalte oder so etwas wie eine Ethik zu vermitteln. Gerade was letzteres betrifft, merkt man ja, wie Paulus oft anfängt herumzueiern und sich an den gängigen modus vivendi zu klammern, z.B. in der Frage der Geschlechterrollen. Ich kann ihm das aber nachsehen. Es ist nun einmal als Mitgestalter eines Aufbruchs schwer, sich zwischen großen Ideen und der Wirklichkeit zu orientieren. Insgesamt hat Paulus sich doch sehr um diejenigen bemüht, an die er sich wendet, finde ich.

Immer wieder wird Paulus als der eigentliche Gründer des Christentums dargestellt. Im Islam geht das so weit, daß viele vor allem ihm vorwerfen, die ursprüngliche Botschaft Jesu verfälscht und das Christentum in eine von Jesus überhaupt nicht gewollte Richtung umgebogen zu haben. Es mag ja sein, daß Paulus für den Weg des Christentums von einer kleinen jüdischen Gruppierung zu einer Weltreligion eine tragende Rolle gespielt hat. Aber er hat sich eigentlich nie von seinen Wurzeln getrennt und immer auf seine Art die Traditionen fortgeführt, mit denen er groß geworden ist.




"Geben ist seliger denn Nehmen."
(Max Schmeling)
Beitrag vom 06.11.2009 - 15:42
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Nachtwache ist offline Nachtwache  
1003 Beiträge
Nachtwache`s alternatives Ego
Auch auf mich macht Paulus eigentlich eher einen negativen (gefühlt) Eindruck. Ich muss mir seine Schriften mal dringend, möglichst vorurteilslos, durchlesen und refklektieren.
Woher der negative Eindruck kommt, ist mir im Mom nicht klar. Vielleicht durchaus auch den Ansätzen des Islam angelehnt. Wobei ich deren Positionierung bisher nicht kannte.

mmmh



-- Ostwestfalen - wo man mit dem lieben Gott zusammen ein Bier trinken gehn kann. Hier komm'wa wech. --
-- Graue Kluft am Leibe, Zelte so schwarz wie die Nacht, Freundschaft die süchtig macht, Abenteuer so bunt --
Beitrag vom 06.11.2009 - 16:52
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Gast .Tilia.  
Gast
@ nachtwache:

Zitat
Auch auf mich macht Paulus eigentlich eher einen negativen (gefühlt) Eindruck. Ich muss mir seine Schriften mal dringend, möglichst vorurteilslos, durchlesen und refklektieren.
Woher der negative Eindruck kommt, ist mir im Mom nicht klar. Vielleicht durchaus auch den Ansätzen des Islam angelehnt. Wobei ich deren Positionierung bisher nicht kannte.



Genau so gings mir auch, wobei ich glaube, nicht vorurteilsbehaftet gelesen zu haben - mit Paulus hatte ich mich bis dahin nie beschäftigt, weder im negativen noch positiven Sinn.
Allerdings, ein zweites Mal lesen wäre wahrscheinlich angebracht, um rational zu begreifen, woher der Eindruck kommt. Nur mit Gefühl diskutiert es sich schlecht ;-)

@ aghamemnun:
Danke für die Darstellung von Hintergründen.
Meinst Du, man kann das in etwa so zusammenfassen, daß Paulus insbesondere Problemkomplexe wichtig waren, die speziell den Kulturraum, dem er entstammte, wichtig waren, die aber für Menschen aus anderen Kulturräumen vielleicht weniger wichtig waren oder gar fremd vorkamen, und die daher mit mehr "Strenge" vermittelt werden mußten?
Immerhin zeigt ja beispielsweise der zweite Brief an die Korinther, daß sein Schreiben nicht mit allzu großer Sympathie aufgenommen wurde.

Allerdings war Paulus andererseits auch wohl derjenige, der sich massiv gegen die Beschneidung eingesetzt hat, indem er diese als nicht notwendig für den neuen Glauben ansah - und somit vielleicht eine durchaus große kulturelle Brücke gebaut hat.






Beitrag vom 07.11.2009 - 10:14
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aghamemnun ist offline aghamemnun  
299 Beiträge
aghamemnun`s alternatives Ego
Hallo Tilia,

tut mir leid, daß ich so lange nichts von mir habe hören lassen. War einfach keine Zeit.
Zitat
Meinst Du, man kann das in etwa so zusammenfassen, daß Paulus insbesondere Problemkomplexe wichtig waren, die speziell den Kulturraum, dem er entstammte, wichtig waren, die aber für Menschen aus anderen Kulturräumen vielleicht weniger wichtig waren oder gar fremd vorkamen, und die daher mit mehr "Strenge" vermittelt werden mußten? Immerhin zeigt ja beispielsweise der zweite Brief an die Korinther, daß sein Schreiben nicht mit allzu großer Sympathie aufgenommen wurde.


Das sehe ich auch so. Paulus war ein weitgereister Mensch, der überall missioniert hat, und damit bekam er es zwangsläufig auch mit unterschiedlichsten Gesellschaften zu tun, denen er seine Botschaft immer wieder anpassen mußte. Klar ist ihm das nicht immer gelungen, und Reibereien konnten nicht ausbleiben. Solange er es mit Juden zu tun hatte, konnte er ja wenigstens noch an einem überlieferten Bibeltext ansetzen. Aber schon die Auslegungstraditionen gingen z.T. kräftig auseinander. Wer heute in den Talmud schaut, findet dort eine riesige Vielfalt von Interpretationen und mündlich überlieferten Traditionen, die manchmal eben nicht unter einen Hut zu bringen sind.

Bei der Heidenmission stand Paulus natürlich auch vor der Frage, was an seinem persönlichen Erbe essentiell und somit weiter zu verbreiten war und was verzichtbar war. Andere christliche Missionare mögen solche Dinge anders gesehen haben, und im Ergebnis sehen wir heute sozusagen aus der Vogelperspektive eine junge, kleine Sekte, in der es jede Menge Streit gab. Das desavouiert aber nicht die Botschaften als solche (ich gebrauche hier mal absichtlich den Plural). Ich höre zwar immer wieder das Argument, daß, wenn die Bibel Gottes Wort wäre, keine inneren Widersprüche vorkommen dürften und das Ganze vollkommen harmonisch sein müßte. Aber Religionen sind nun einmal Gemeinschaften, die auf dem Weg sind, und dementsprechend unvollkommen ist auch alles, was sie in der Hand halten. Auf diese Weise Wahrheitsansprüche oder Sinnstiftungsversuche ad absurdum führen zu wollen, ist trivial und sollte Kritikern unter ihrer Würde sein. Sie selbst haben ja auch nicht mehr zu bieten.

Wie gesagt: In der Urchristenheit gab es Konflikte, wie es sie heute auch gibt, und dazwischen müssen wir eben irgendwie unseren Weg finden, ohne uns irgendetwas herauszupicken und den Rest beiseitezuschieben und ohne Widersprüche zu glätten, wo es nichts zu harmonisieren gibt.



"Geben ist seliger denn Nehmen."
(Max Schmeling)
Beitrag vom 11.11.2009 - 10:22
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Gast .Tilia.  
Gast
Zitat
tut mir leid, daß ich so lange nichts von mir habe hören lassen. War einfach keine Zeit.



Macht ja nichts, es besteht ja keinerlei Zeitdruck. Danke.

Beitrag vom 16.11.2009 - 21:14
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Baumstruktur - Signaturen verstecken
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