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Autor |
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Kramer - Die Zieharmonika (nicht für's Süße, nur für's Scharfe) Interpretation? |
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2016 Beiträge
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Moin,
noch einmal was Anspruchsvolleres am Abend ;-)
Der Singekreis Silberburg hatte ja beim letzten Hasiwe die Zieharmonika vertont und ich hatte überlegt, das Lied bei unserem Musischen zu machen.
Nun habe ich also angefangen mir Gedanken über den Inhalt zu machen. Ich finde, sowas sollte man den Leuten nicht wortlos vorsetzen.
Meine Interpretation des Ganzen passt sehr wenig zum Stil des Liedes.
Jetzt frage ich mich, ob es vielleicht in eine ganz andere Richtung geht als ich denke oder ob es einfach wirklich nicht passt.
Nach meinem Enpfinden ist das Lied zu fröhlich für den Inhalt (das soll jetzt keine Kritik am Lied sein, ich finde die Musik großartig, sonst würde ich es nicht machen).
Also bitte keine Diskussion, ob die Musik zum Text passt sondern viel mehr, wie ihr den Text interpretiert.
Ich weiß nicht, ob ich hier den Text posten darf, aber google ist euer Freund.
Wenn da irgendjemand genaueres Hintergrundwissen hat, würd ich mich freuen. Auf jeden Fall hat er das Gedicht nach meiner Information recht spät geschrieben (1951).
Ich würd ja auch die einzelnen Zeilen zitieren und sagen, wie ich das deute, aber ich weiß auch nicht, ob dann das Forum hier Stress bekommt. Das liefere ich sonst nach.
Gute Nacht! 
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"Wenn ich auch nur eine einzige düstere Kindheit erhellen konnte, bin ich zufrieden."
Astrid Lindgren |
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Beitrag vom 16.11.2008 - 23:19 |
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RE: Kramer - Die Zieharmonika (nicht für's Süße, nur für's Scharfe) Interpretation? |
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Zitat Original geschrieben von upsala
Der Singekreis Silberburg hatte ja beim letzten Hasiwe die Zieharmonika vertont und ich hatte überlegt, das Lied bei unserem Musischen zu machen.
Nun habe ich also angefangen mir Gedanken über den Inhalt zu machen. Ich finde, sowas sollte man den Leuten nicht wortlos vorsetzen.
Meine Interpretation des Ganzen passt sehr wenig zum Stil des Liedes.
Jetzt frage ich mich, ob es vielleicht in eine ganz andere Richtung geht als ich denke oder ob es einfach wirklich nicht passt.
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Also erstmal, du hast schon recht. Die Melodie ist ziemlich fröhlich verglichen mit dem traurigen Text.
Zum Gedicht:
Das Gedicht heißt nicht "Ziehharmonika", das war unser Arbeitstitel, da der eigentliche Titel "Nicht fürs Süße, nur fürs Scharfe" etwas sperrig ist. Das Motiv ist typisch für Theodor Kramer, er hat viel über Randgruppen und Außenseiter der Gesellschaft geschrieben, wie Landstreicher, Vagabunden, Knechte oder Huren. Ich finde, das Gedicht lässt wenig Interpretationsspielraum zu. Ein Ziehharmonikaspieler erzählt seine aussichtslose Situation, man weiß aber nichts darüber, wie es dazu gekommen ist. Die verwendeten Bilder sind wohl wörtlich zu nehmen und sind keine Metaphern, die man groß interpretieren könnte, ebenso fehlt der Bezug zum Nationalsozialismus bzw zur Situation der Juden in Österreich, wie es in anderen seiner Gedichte vorkommt (Fronleichnam, Krampenschlag, ...). Der Ziehharmonikaspieler jammert nicht, sondern er beschreibt, und mir kommt es vor, als hätte er sich mit seiner Situation abgefunden. Was interpretierst du darüber hinaus?
Falls du Informationen zum Gedichtkontext möchtest, würde ich dir empfehlen, dich per eMail an die Theodor-Kramer-Gesellschaft in Wien zu wenden. Dort hat man mir schon mehrmals bei anderen Kramer-Gedichten geholfen. Man kann dort auch Mitglied werden und bekommt dann regelmäßig die Zeitschrift "Zeitschrift für Literatur des Exils und des Widerstandes" zugeschickt.
Für einen Einstieg zu Theodor Kramer, ohne gleich sein mehrbändiges Werk zu erwerben, empfehle ich die Anthologie "Solange der Atem uns trägt", darin enthalten sind sechsmal zwölf Gedichte, ausgewählt und eingeleitet von verschiedenen Kramer-Experten. Erhältlich bei der Theodor-Kramer-Gesellschaft.
Falls du Unterstützung brauchst, zB Midi-Dateien der einzelnen Stimmen, oder falls du den versetzten Notensatz möchtest (der ist glaub nicht im Hamburg-Liedheft), dann meld dich einfach.
Gruß,
Basti
PS: Viele haben bei uns immer gesungen "schlag die Leute mit der Harfe" statt "schlag ihr Leute nicht die Harfe". Das verfälscht den Sinn etwas... .
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Beitrag vom 17.11.2008 - 00:45 |
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ruski |
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Ich kannte bisher nur die Vertonung von Wenzel:
http://www.indigo.de/unser_programm/titel/86963/
Die ist eigentlich nicht so fröhlich.
Die andere würde mich aber auch interessieren!
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Beitrag vom 17.11.2008 - 10:27 |
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2016 Beiträge
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Danke Basti für die Antwort.
Ich hatte gerade schon ganz viel geschrieben und noch in dem Moment, als ich überlegt es zur Sicherheit in Word zu kopieren stürzte mein Firefox ab... alles weg *aaaaaa* Und jetzt bekomme ich es bestimmt nicht noch einmal ganz genauso hin...aber egal.
Zitat Original geschrieben von basti_ka
Ich finde, das Gedicht lässt wenig Interpretationsspielraum zu. Ein Ziehharmonikaspieler erzählt seine aussichtslose Situation, man weiß aber nichts darüber, wie es dazu gekommen ist. Die verwendeten Bilder sind wohl wörtlich zu nehmen und sind keine Metaphern, die man groß interpretieren könnte, ebenso fehlt der Bezug zum Nationalsozialismus bzw zur Situation der Juden in Österreich, wie es in anderen seiner Gedichte vorkommt (Fronleichnam, Krampenschlag, ...). Der Ziehharmonikaspieler jammert nicht, sondern er beschreibt, und mir kommt es vor, als hätte er sich mit seiner Situation abgefunden. Was interpretierst du darüber hinaus? |
Woher willst du wissen, dass er immer sehr direkt schrieb? So etwas ist immer schnell gesagt.
Ich bin mir nicht sicher, dass man keinen Bezug herstellen kann. Klar, wörtlich aus seinem Gedicht nicht, aber wenn man so ein wenig seine Hintergründe kennt.
Nur mal ein paar Gedanken und Fragen von mir aufgelistet.
Zitat Nicht fürs Süße, nur fürs Scharfe
und fürs Bittre bin ich da; |
Zitat Ließ das Salz der Tränen Spuren,
wären meine Gucker blind; |
Ich denke, die auswegslose Situation könnte sich schon auf das persönlich Erlebte beziehen und auf das, was so etwas bei einem hinterlässt.
Zitat Weiß zuviel und möcht doch träumen wie der Echs im Sonnenschein; |
Das könnte auch ein Hinweis auf die Vergangenheit sein.
Das anscheinend Schlimme, dass der Ich-Erzähler durchmacht, könnte durchaus diese Zeit sein, die Kramer erlebt hat. Man weiß es halt nicht.
Zitat leeres Brausen in den Bäumen,
braus für mich, nick träg ich ein! |
Das mit dem nick verstehe ich nicht!
Zitat Das Falsett, das möcht umarmen,
doch das Ganze trägt der Baß;
hab Erbarmen, brauch Erbarmen,
doch zuinnerst haust der Haß. |
Das Falsett ist doch die hohe Kopfstimme?
Gibt es da einen Bezug zum Instrument?
Warum wird das Ganze vom Bass getragen?
Vielleicht ist damit der Gegensatz von den hohen, fröhlichen Tönen zu den tiefen (aber eigentlich auch nicht zwangsläufig traurigen) Tönen?
Zitat Daß ich leb, das Herz aus Asche,
macht: aus Branntwein ist mein Blut. |
Hier verstehe ich das „macht“ nicht.
Auf jeden Fall stimmer ich dir zu, dass er nicht jammert, sondern beschreibt.
So, wenn mir der Rest, den ich geschrieben hatte, wieder einfällt, später mehr.
Nachtrag: Schlagt die Leute mit der Harfe find ich super
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"Wenn ich auch nur eine einzige düstere Kindheit erhellen konnte, bin ich zufrieden."
Astrid Lindgren |
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zuletzt von upsala am 19.11.2008 - 14:05.
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Beitrag vom 19.11.2008 - 14:03 |
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ruski |
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@upsala:
"leeres Brausen in den Bäumen,
braus für mich, nick träg ich ein!"
- kennst Du den Begriff "einnicken" nicht? In dem Fall träge einnicken
"Daß ich leb, das Herz aus Asche,
macht: aus Branntwein ist mein Blut."
- Da mein Herz aus Asche ist, hält mich nur noch am leben, dass mein Blut aus Branntwein ist - so würde ich es verstehen.
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Beitrag vom 19.11.2008 - 14:15 |
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2016 Beiträge
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Zitat Original geschrieben von ruski
"Daß ich leb, das Herz aus Asche,
macht: aus Branntwein ist mein Blut."
- Da mein Herz aus Asche ist, hält mich nur noch am leben, dass mein Blut aus Branntwein ist - so würde ich es verstehen. |
Ja, so verstehe ich das ja auch, aber was macht das Wort "macht" da? Das verstehe ich nicht.
"Nick träg ich ein"
Ja klaar... träge nicke ich ein... maaaaan, da stand ich aber auf dem Schlauch weil ich an träg von tragen dachte (und nicht nur ich ).
EDIT: jetzt habe ich das macht auch...seeeeehr komische satzkonstruktion^^
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"Wenn ich auch nur eine einzige düstere Kindheit erhellen konnte, bin ich zufrieden."
Astrid Lindgren |
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zuletzt von upsala am 19.11.2008 - 14:26.
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Beitrag vom 19.11.2008 - 14:18 |
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ruski |
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"Das ich leb ...
macht: Aus Branntwein ist mein Blut"
- Haken wir es mal unter künstlerische Freiheit ab.
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Beitrag vom 19.11.2008 - 14:27 |
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376 Beiträge
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das ich lebe trotz meines asche herzens macht das mein blut aus brandwein ist.
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Beitrag vom 19.11.2008 - 15:05 |
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376 Beiträge
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ich sehe da aber auch keinen verweis auf einen ns bezug. hätte er das ausdrücken wollen hätte er es gemacht, oder? wüsste jetzt aber auch nicht was das ändern sollte. würde ein jüdischer zieharmonikaspieler die problematik trauriger text fröhliche melodie verändern?
Das Falsett, das möcht umarmen,
doch das Ganze trägt der Baß;
hab Erbarmen, brauch Erbarmen,
doch zuinnerst haust der Haß.
hier sehe ich den inneren zwiespalt, er macht musik, die ist doch in der regel positiv, also belustigend oder rührend jedoch sehr selten beängstigend, vor allem nicht wenn man damit geld verdienen will. er spielt also musik die seinem inneren hass entgegen gerichtet ist, er beruhigt damit das schlechte gewissen seiner besser gestellten zuhörer, dabei verdient er eigentlich ihr volles mitleid. vielleicht kommt sein hass gerade noch im bass ans tageslicht.
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Beitrag vom 19.11.2008 - 15:18 |
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2016 Beiträge
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Irgendwie hat das Vorlegen des Gedichts meinen Freund gerade dazu veranlasst, das Ding morgen mit in die Uni zu nehmen. Die sollen nämlich alle ein Gedicht mitbringen, dass man in der Oberstufe machen könnte und dann dort in der Gruppe diskutieren.
Ich werd euch dann mal berichten, was die Leute da dazu sagen;)
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"Wenn ich auch nur eine einzige düstere Kindheit erhellen konnte, bin ich zufrieden."
Astrid Lindgren |
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Beitrag vom 19.11.2008 - 17:57 |
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173 Beiträge
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Von Kramer sagt man, dass es ihm das Schwere in seinen Gedichten so leicht fiel.
Genau so sehe ich das Lied. Ein schwerer Inhalt, in einem direkten, aber schwungvollen Text, und genauso ist die Melodie. Man hätte da auch eine traurige Schnulze draus machen können, aber hätte der Ziehharmonikist das so gespielt? Das würde ich mal eher verneinen...
Das hat so ein bisschen was von den jiddischen Liedern, die einen selbst noch in Todesnot zum tanzen bringen wollen...
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Beitrag vom 19.11.2008 - 19:47 |
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Zitat Original geschrieben von upsala
Woher willst du wissen, dass er immer sehr direkt schrieb? So etwas ist immer schnell gesagt.
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Ich finde in seinen Gedichten einfach keine weitere, tiefere Bedeutungsebene, für die das beschriebene eine Metapher wäre, ganz anders wie zum Beispiel bei Degenhardt. Sicher, Kramer hat Gedichte mit Bezug zum Krieg und zur Annektierung Österreichs durch die NS geschrieben, aber der Bezug wird dort nicht über Metaphern hergestellt, sondern direkt. Und nur weil er jüdischer Exillyriker war, muß dieses Motiv ja nicht in allen seinen Gedichten versteckt sein.
Siehe z.B. auch:
Thomas Anz in www.literaturkritik.de:
"Da hat einer den Leuten aufs Maul geschaut. Hier findet man keine kühnen Metaphern oder gewagte Experimente."
Thomas Rothschild in www.ossietzky.net:
"Kramers Metaphern sind unmittelbar verständlich,..."
Zitat
Ich bin mir nicht sicher, dass man keinen Bezug herstellen kann. Klar, wörtlich aus seinem Gedicht nicht, aber wenn man so ein wenig seine Hintergründe kennt.
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Ich glaube, dass er einen Bezug zum NS-Regime deutlicher hätte erkennen lassen, wenn er ihn gewollt hätte.
Zitat
Ich denke, die auswegslose Situation könnte sich schon auf das persönlich Erlebte beziehen und auf das, was so etwas bei einem hinterlässt.
[...]
Das könnte auch ein Hinweis auf die Vergangenheit sein.
Das anscheinend Schlimme, dass der Ich-Erzähler durchmacht, könnte durchaus diese Zeit sein, die Kramer erlebt hat. Man weiß es halt nicht.
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Kramer sagte selbst, er schreibe über "Bauern und Knechte, über Landschaft und Landstricher, über Landproletarier und Großstadtelend", also über die einfachen Menschen und Außenseiter der Gesellschaft. In diesem Kontext sehe ich auch "Nicht fürs Süße, nur fürs Scharfe".
Zitat
Das Falsett ist doch die hohe Kopfstimme?
Gibt es da einen Bezug zum Instrument?
Warum wird das Ganze vom Bass getragen?
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Das Akkordeon hat rechts die (tiefen) Basstasten und links die (hohen) Diskantregister. Der Bass ist musikalisch gesehen das Fundament und trägt die anderen Stimmen. Mit dem Falsett kann gemeint sein, dass er zum Akkordeon singt. Es kann aber auch ein hohes Register auf der Diskantseite gemeint sein, diese ahmen die Klangfarbe verschiedener Instrumente nach wie zB Klarinette, Geige oder Oboe.
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Beitrag vom 24.11.2008 - 23:56 |
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