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Ich habe das Thema mal verschoben, weil ich die Diskussion von der Lagerplatzsuche des VCP abkoppeln möchte:
Zitat Original geschrieben von Kristian:Beim Landesjamboree gab es so eine Art Lagerpolizei, die auch rumrannten, wie man es seinen eigenen Gruppenkindern verboten hätte. Gib Menschen eine Uniform... Einer unserer erwachsenen Gruppenleiter hatte am Lagerrand gegen einen Baum gepinkelt und wurde dabei "erwischt", was dazu führte, dass es ein Gespräch zwischen der Lagerleitung (auch Pfadfinder) und dem zuständigen Vorstand (mir) geben musste, wo über Lagerregeln zu sprechen war.
Beim BdP-Bundeslager verwehrte der Ordnungsdienst einem älteren Mann (auch Pfadfinder) mit Verweis auf die Lagerordnung das Befahren des Platzes. Er musste die Lichterketten anliefern, die einen zentralen Masten illuminierten. Hinterher wurde das Rauchen in einer durch ein Feuer verrauchten Singejurte problematisiert mit Verweis auf ebendiese Lagerregeln.
Das Grundproblem scheint mir aber zu sein, dass ab einer gewissen Größe, die über eine face-to-face-society hinausgeht, verbindliche Regeln zu beschließen sind, die dann konkret umgesetzt werden müssen. Wie immer bei Regeln gibt es das Problem, dass sie im Allgemeinen gut sein mögen, im Konkreten aber viel zu versauen in der Lage sind. Das Umsetzungsproblem dessen überlässt man dann solchen Ordnungsdiensten, die im Zweifel mit Funkgeräten verbunden nach einer Entscheidung einkommen müssen. Das ist vom Standpunkt der Organisiation kaum anders machbar, nur bleibt dabei das pfadfinderische/bündische schnell auf der Strecke. Am Ende hat man dann einen unvermeidbaren Konflikt zwischen haupt-/ehrenamtlichen Lagerfunktionsträgern, denen das Bewahren der Lagerorganisationsstruktur höchstes Ziel ist, und denen, deren konkretes Bedüfnis im Moment mit dieser Struktur kollidiert. Weil aber solch ein Lager, die Jugendbewegung, das Pfadfindersein dazu da ist, konkreten Bedürfnissen wollender Individuen den Raum zu geben, den sie einfordern, muss es dazu kommen, dass dieser Konflikt zwischen Regeln und Wollen auftritt. In diesem Fall wird sich wohl immer die Struktur durchsetzen.
Wird durch die Akkumulation dieser Individuen ein Rahmen geschaffen, der es im Einzelfall oft unmöglich macht, das zu tun, wonach einem gerade ist, wird man von den Brüdern und Schwestern im Geiste vielleicht sogar noch daran gehindert, das zu tun, was man gerade eigentlich möchte.
Ich kenne das nicht so, dass es das in face-to-face-Situationen nicht gibt, wirklich nicht. Nur sind da die Konflikte persönlicher Natur, was dazu führt, dass man auf das wollende Individuum und seine Eigenarten eingehen kann oder diese eben zwischen Menschen mit einem Kompromiss regelt. Das geht zwischen Institutionen, Organen, Lagerregeln und deren Bürokraten nicht, weil die Institution - bei aller Schönheit - einem letztlich nur Unterwerfung abfordern kann.
Ich glaube, das hat mich so erschreckt. |
Ich denke der grundlegende Unterschied liegt in der Betrachtung des Erziehungansatzes. Was du beschreibst, klingt nach uneingeschränkter Entfaltungsmöglichkeit aller aufkeimenden individuellen Bedürfnisse von Lagerteilnehmern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das möglich ist, nicht mal im Steinbruch, mit einer Hand voll Leute.
Wir geben uns unsere Regeln selber, d.h. Leute mit demokratisch legitimierten Missionshintergrund entscheiden über so profane Dinge wie Lagerregeln und machen sich Gedanken, wie diese umzusetzen sind. Da eine Lagerleitung für so eine große Veranstaltung alleine damit überfordert wäre, gibt es Teillagerleitungen, die sich jeweils mit den ihnen zugeteilten Gruppen auseinandersetzen. Eine "Lagerpolizei" gibt es auch, das ist aber eher eine Verkehrstruppe bzw. Nachtwache, die je nach dem Vermögen der handelnden Personen, mehr oder weniger professionell auftritt. Da wir hier, wie in vielen anderen Bereichen auch, Laien sind, ist das ein besonders sensibler Bereich und da decken sich viele deiner negativen Erfahrungen und Befürchtungen mit der Realität.
Dennoch sehe ich den Umgang mit dem "System" in Konfliktsituationen wesentlich gelassener als du, sogar ein Stück weit bereichernd, weil hier Konflikte auch persönlichkeitsbildend ausgetragen werden können. Ich habe auf dem letzten Bundeslager einige Gespräche mit Teilnehmern gehabt, die sich nicht an unsere Alkoholregeln gehalten haben. Neben der üblichen Standpauke haben wir es den Leuten überlassen, was sie bereit sind, für die Gemeinschaft als "Wiedergutmachung" für ihre Störung zu leisten. Bei den meisten hatte ich danach den Eindruck, dass sie sehr genau verstanden haben, was wir meinten und sie haben ihre selbstgewählte "Strafe" mit unglaublichem Eifer absolviert.
Du hast recht, am Ende wird sich immer die Struktur durchsetzen, aber das ist im richtigen Leben auch so. Wir vermitteln den Umgang damit spielerisch, in dem wir auch Raum geben, über Verfehlungen nachzudenken und sich z. B. aktiv in die Gestaltung der Präventivmaßnahmen einzubringen. Wir haben einigen jungen Erwachsenen empfohlen, mit unserer Nachtwächtergruppe zusammen nachts Wache zu schieben. Das hat mehr bewirkt als jeder Lagerplatzverweis. Es ist halt eine Frage, wie verantwortungsvoll man mit Restriktionen umgeht.
Ohne Strukturen und Regeln geht es meiner bescheidenen Meinung nach nicht und vielleicht unterscheiden sich darin die Pfadfinder von den Bünden, weil sie mehrheitlich nicht an den Weihnachtsmann oder die Blaue Blume glauben.
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"Guten Freunden gibt man ein Küsschen." (Judas) |
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zuletzt von Löffel am 27.02.2012 - 15:44.
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